Für einen Rundfunk, der die Freiheit verteidigt
Gastbeitrag: Dr. Engelbert Günster, Vorsitzender GVK, Vorsitzender SWR-Rundfunkrat
Nur ein Rundfunk, der seine Freiheit verteidigt, ist ein Rundfunk, der unsere Freiheit verteidigt. So könnte man einen zentralen Punkt unzähliger Aufsätze zur Programmautonomie vielleicht zusammenfassen.
Manch einer mag einwenden: „Die Rundfunkfreiheit ist verfassungsrechtlich doch maximal abgesichert. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist längst frei.“ Freiheit will aber von jedem Einzelnen und auch von jeder Generation immer wieder neu erobert werden. Oder, um mit Goethe zu sprechen: „Was du ererbt von deinen Vätern, erwirb es, um es zu besitzen“. Das gilt auch für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk.
Als Vertreter der Aufsicht merken wir das heute vielleicht weniger als früher. Dennoch wird es immer wichtiger, sich darauf zu besinnen. Die Überwachungsaufgaben der Aufsicht werden immer mehr. Wir haben immer mehr Mitwirkungsrechte, für die Reflexion über das große Ganze ist immer weniger Zeit. Der öffentlich-rechtliche Rundfundfunk ist in einer sehr schwierigen Lage: Ihm droht (wieder einmal) eine Unterfinanzierung und er wird nicht nur von Anhängern populistischer Parteien infrage gestellt, sondern auch von populistischen Politikern fast aller Parteien. Damit steht er intern vor enormen organisatorischen Herausforderungen. Da kann man sich schnell im Mikromanagement verlieren.
Genau in solchen Situationen müssen wir als Aufsicht nun die Programmverantwortlichen und die Programmmacherinnen und -macher darin bestärken, ihre kreative Freiheit auszuleben. Ihre Freiheit, die Mächtigen zu stören. Ihre Freiheit, die Bürger auch mal zu verunsichern, was vermeintliche Lösungen betrifft. Ihre Freiheit, Alternativen aufzuzeigen und selbstverständlich auch deren Grenzen.
Warum schreibe ich das in einem Gastbeitrag für die Historische Kommission? Weil Sie in Ihrer aktiven Zeit auch immer wieder die Freiheit des Rundfunks zu verteidigen hatten und dabei Einsichten gewonnen haben, von denen alle heute Aktiven profitieren können.
Ich möchte Sie einladen, aus Ihrem Kreis Beiträge für unseren Newsletter beizusteuern, die Ihre Erfahrungen mit der immer wieder zu erobernden Freiheit veranschaulichen. Der ARD-Gremiennewsletter der GVK soll das Wirken der Aufsicht nach außen sichtbarer machen. Er wirkt aber auch nach innen hinein. Für beide Zielgruppen kann das hilfreich sein.
Ich möchte Ihnen ein Beispiel geben. Ein voluminöses Dokument, das bei vielen Rundfunkräten teilweise nur noch mit Missmut zur Kenntnis genommen wurde, kennen Sie noch als „ARD-Bericht und Leitlinien“. Das war ein seit 2004 regelmäßig vorgelegter, über einhundertseitiger Rück- und Ausblick zugleich – verbindlich unverbindlich formuliert, irgendwo zwischen Werbetext und Sonntagsrede.
Kaum einem in den Rundfunkräten waren aber die Geschichte und der Sinn dieses Dokuments noch bekannt, dessen Verabschiedung der Medienstaatsvertrag alle zwei Jahre vorgibt. Wenn ich recht informiert bin, kam die entsprechende Vorgabe zu einer Zeit in den Staatsvertrag, als die Politik gerade wieder einmal versucht hatte, in die Programmgestaltung einzugreifen und das Angebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks einzuhegen – und damit letztlich die Programmautonomie auszuhebeln. Inmitten eines Tauziehens war dann die regulierte Selbstregulierung, die Verpflichtung zur Selbstverpflichtung, das Mittel der Wahl zur Verteidigung der Freiheit. Nur der öffentlich-rechtliche Rundfunk kann sich selbst Schwerpunkte setzen. Aus diesem (wiedergewonnenen) Wissen heraus, haben die Gremienvorsitzenden vor einigen Jahren dafür gesorgt, dass die Selbstverpflichtung zu einem modernen Leitplankendokument fortentwickelt wird.
Es soll messbare Ziele beschreiben und Indikatoren, an denen man ablesen kann, dass die Ziele erreicht wurden. Künftig soll dies mit noch mehr Bezug auf die Programmqualität geschehen. Der dritte MÄStV hat das Dokument daraufhin in seiner Bedeutung nochmals aufgewertet und mit der neuen Richtlinie der Rundfunkräte für Qualität verknüpft.
Wir hoffen, dass dieses Dokument hilft, in Freiheit die nötigen Schwerpunkte zu setzen. Wenn nicht, werden wir sehen, wie schnell das derzeit zumindest bei den Rundfunkräten vorhandene Wissen um den eigentlichen Hintergrund des Dokuments auch wieder verschwindet.
Ich bin sicher, dass Sie mit zahlreichen interessanten Schilderungen dieser Art für so manches Aha-Erlebnis sorgen könnten. Lehrreich wäre vor allem, wie mit konkreten Programmentscheidungen in der Vergangenheit die Freiheit des Rundfunks verteidigt oder auch zurückerobert werden musste. Scheuen Sie sich also nicht, auf die Geschäftsstelle der GVK zuzukommen – kurze Anekdoten und auch etwas längere Abhandlungen würden unseren Newsletter sehr bereichern.
Für alle Interessierten ist die Anmeldung zum vierteljährlich erscheinenden ARD-Newsletter der GVK über diesen Link möglich: https://www.ard.de/die-ard/organisation-der-ard/gremien/Newsletter-der-ARD-Gremien-abonnieren-100/