"Beat-Club"-Moderatorin Uschi Nerke. | Bildquelle: Radio Bremen/Jutta Vialon)

Sechzig Jahre Beat-Club

Ein Gespräch mit Wolfgang Niedecken
Von Burghard Rausch, Radio Bremen

Am 25. September 1965 ging der „Beat-Club“ von Radio Bremen in der ARD erstmalig live auf Sendung: eine kleine Revolution am Samstagnachmittag, die das Fernsehen veränderte, als der adrette Ansager Wilhelm Wieben zur ersten Ausgabe eine neue Zielgruppe im Programm begrüßte. „Guten Tag, liebe Beat-Freunde! Nun ist es endlich so weit.“ Er kündigte „die erste Show im Deutschen Fernsehen, die nur für euch gemacht ist“ an. Gleichzeitig warnte der spätere Tagesschau-Sprecher alle anderen: „Sie aber, meine Damen und Herren, die Sie Beat-Musik nicht mögen, bitten wir um Ihr Verständnis.“

Gleich die erste Sendung traf ins Schwarze und erhob die Sendung direkt auf einen Kultstatus – mit einer gesamtdeutschen Einschaltquote von traumhaften 63 Prozent, weil das DDR-Publikum mit Westfernsehempfang miterfasst wurde. Einer unter den jungen Zuschauern war Wolfgang Niedecken, damals 14 Jahre alt. Über seine Erinnerung an den „Beat-Club“ hat Burkhard Rausch mit dem Musiker und BAP-Sänger gesprochen.

Wie war dein erster Kontakt mit dem „Beat-Club“?

Ich glaube, ich habe ihn von Anfang an gesehen. Die ersten Sendungen, da waren noch relativ viele deutsche Bands dabei, die auf Englisch machten. Und dann kam dann ja irgendwann schon, in der dritten Sendung, Gerry and the Pacemakers mit „Ferry Cross The Mersey“. Ein Klassiker heutzutage. Ich kann mich sogar noch an die Moderation von der Uschi Nerke erinnern. Die hat sich verhaspelt beim Ansagen. Ja, und dann fingen die an. Das war super. Großartig. Aber ich fand sie super, die war natürlich total süß.

Musiksendung „Songpoeten“: Wolfgang Niedecken als Moderator bei WDR 4. | Bildquelle: WDR/Herby Sachs
BAP-Chef Wolfgang Niedecken moderiert die WDR 4-Sendung „Songpoeten“. | Bildquelle: WDR/Herby Sachs


Das Interview mit Wolfgang Niedecken zum Anhören:

Wie hattest du denn von dieser Sendung überhaupt erfahren? Es gab ja noch keine sozialen Medien, über die Informationen sich in Windeseile verbreiten.

Die sozialen Medien fanden damals mehr oder weniger auf dem Schulhof statt. Irgendeiner hat es gehört, da gibt es eine Sendung, wo Beatmusik kommt. Da waren wir natürlich heiß drauf. Das war ja noch nicht dieses Überangebot, wo du unter tausend Sendern wählen kannst und eigentlich nichts wirklich Gehaltvolles kommt. Diese Verknappung hatte ja auch ein bisschen seine Vorteile. Da war man, man hatte die Ohren gespitzt und war zugänglich für Tipps. Da gibt es was.

Wir waren natürlich vollkommen begeistert, dass man die Bands sehen konnte mit ihren Instrumenten. Ich kann mich an bestimmte Kameraeinstellungen erinnern, wo ein Schlagzeug von oben gefilmt war. Das war wahrscheinlich Dick Tarrachs Schlagzeug von den „Rattles“. Und das hat man dann anschließend sogar gezeichnet. Solche Informationen hatte man ja nicht. Als ich 14 Jahre alt war, bin ich noch nie irgendwo gewesen, wo tatsächlich mal eine Band gespielt hat, wo man das dann selbst erleben konnte. In Köln kamst du als 14-Jähriger natürlich nicht in so einen Laden rein, wo Bands spielten. Das war für uns schon ein ganz großes Kino.

Warst du schon grundsätzlich an Musik interessiert? Und wenn ja, was hast du für Musik vorher gehört?

Das ging bei mir los mit den „Beatles“. Vorher habe ich mich überhaupt nicht für Musik interessiert. Ich meine, was gab es da? Für die Großen im Internat. Ich war ja zu der Zeit im Internat. Die Großen hörten Dixieland, wenn sie überhaupt Musik hörten. Und dann gab es Kirchenmusik, dann gab es Wanderlieder. Ich war ja bei den Pfadfindern. Dann gab es Schlager, die wir von Anfang an … Das war nichts für uns. Das war nicht mal, dass man das gehasst hat, sondern es war uninteressant, brauchte keine Sau. Und dann traten die „Beatles“ in mein Leben, und zwar mit ihrer zweiten Single. Das war „From Me to You“. Ein Kollege aus dem Internat, der hatte diese Single zweimal. Und zwar die englische Pressung und die deutsche, die Odeon – grünes Label. Und ich fand diese Vorder- und Rückseite super. Und dann habe ich die deutsche Pressung gegen ein Taschenmesser eingetauscht. Und dann habe ich diese Dinger ununterbrochen gehört. Und wieder rumgedreht. „From Me to You“, „Thank You Girl“. Immer weiter. Und dann irgendwann fand ich das so gut, dass ich gesagt habe, ich brauche davon noch eine Zweite. Und ich habe doch nicht mal gewusst, dass die Band „The Beatles“ war. Ich dachte die hießen „Odeon“. Da habe ich meine Mutter ein bisschen wahnsinnig gemacht, dass sie mir noch eine zweite Single kaufte. Und dann bin ich so langsam dahintergekommen, was das eigentlich war. Und meine Kollegen in der Schule, die hatten dann auch die „Bravo“. Dann konnte man die „Beatles“ auch mal sehen. Es war unfassbar. Es war der Anbruch einer neuen Zeit für mich.

Wie hast du dich denn dann weiter so musikalisch orientiert? Es gab ja, wie schon gesagt, nicht so die Möglichkeiten von heute. Du musstest ja irgendwie von den „Beatles“ weitergegangen sein, oder?

Ja, klar. Die „Stones“ kamen dann dazu. Wenn ich versuche, das kurz zu fassen, trat dann auch Bob Dylan in mein Leben. Wir haben natürlich dann auch unmittelbar eine Band gegründet. Das ist ja auch ganz wichtig. Vorher waren wir noch im Wald und waren als Winnetou unterwegs. Und dann waren die „Beatles“ da. Und dann hat man nicht mehr „Indianer“ gespielt oder „Pfadfinder“. Sondern man hat versucht, sowas zu machen wie die Kerle da. Und einer von uns konnte Klavier spielen. Es gab auch ein paar Trommeln auf dem Speicher des Internats. Die haben wir uns dann so hergerichtet, dass man darauf Schlagzeug spielen konnte. Und ich habe dann am Anfang tatsächlich hinter dem Schlagzeug gesessen. Und das erste Stück, was ich jemals gespielt habe in der Band, war „Money“. Vom „Beatles“-Album. War natürlich auch schon damals eine Cover-Version. Aber den Begriff kannten wir ja gar nicht. Das war ein „Beatles“-Song und der hatte dieses Ding drauf. Und dann habe ich das, hinter dem Schlagzeug sitzend, geprügelt auf den Drums. Und habe das dann auch gesungen. Sagenhaft. Also wir haben sozusagen den Punk erfunden.

Englischsprachige Musik wurde ja zu dieser Zeit im bundesdeutschen Radio und Fernsehen weitestgehend ignoriert, während die Jugendlichen die britischen, die US-Soldatensender, das englischsprachige Programm von Radio Luxemburg und, wenn es ging, später die Piratensender von der niederländischen Küste hörten. Wie war das bei dir? Was hast du gehört? Welche Sender?

Also klar, man konnte „Radio Luxemburg“ hören. Da wusste man auch irgendwie, wann welcher neue Song vorgestellt wurde. Das hat sich über Mundpropaganda verbreitet. Und nachts hat man diese kleinen Transistorradios, wo man mit einem Ohrhörer auch was hören konnte. Und das war dann, glaube ich, BFBS, der britische Soldatensender. Das wusste man dann auch. Und das war natürlich unter Strafe. Wenn dann dieser Stecker da rausflog, dann platzte das Ding laut los. Und wenn dann ein Pater in der Gegend war, dann war das nächste Wochenende gestrichen. Da war nichts mit nach Hause fahren. Aber wir haben es trotzdem gemacht.

Wie brach der „Beat-Club“ mit den traditionellen Formaten des deutschen Fernsehens, die von Volksmusik und Christchurch ja dominiert wurden. Wie veränderte sich damit, deiner Meinung nach, die Medienlandschaft grundsätzlich?

Jimi Hendrix beim Beat-Club London. | Bildquelle: Radio Bremen
Jimi Hendrix beim Beat-Club London. | Bildquelle: Radio Bremen

Das war für uns fast wie eine Revolution, obwohl wir das nicht so empfunden haben. Aber auf einmal gab es das. Das war wie so ein Urknall. Vorher, wie ich eben schon sagte, haben uns Musiksendungen nicht interessiert. Das brauchte keiner. Da gab es interessantere Sachen. Im Internat durften wir sowieso nicht viel Fernsehen gucken. Ich kann mich daran erinnern, dass wir Länderspiele gucken durften, wenn die nicht zu spät waren, dass man „Mainz bleibt Mainz“ gucken durfte, die Karnevalssitzung. Und dann war da auf einmal, da haben wir gesagt, wir wollen gerne den „Beat-Club“. Das war ja Samstagnachmittag, wenn ich mich recht erinnere. Und das haben wir dann auch ein paar Mal gemacht. Das war den Padres aber nicht so geheuer. Und dann kam tatsächlich der Tag, als Jimi Hendrix im „Beat-Club“ war – aus irgendeinem Grund wurde es dann verboten.

Und wir wussten, da tritt dieser Kerl auf, von dem alle gesprochen haben. Und wir in dem Internat, wir sind ins städtische Gymnasium gegangen. Also wir sind vom Internat aus ins städtische Gymnasium Reinbach gegangen. Und wir Armen durften das dort nicht sehen. Und alle hatten es gesehen. Alle hatten diesen Urknall von Jimi Hendrix gesehen. „Hey Joe“ hat er gespielt. Wir fanden das so furchtbar, dass wir da jetzt ausgeschlossen waren. Und das haben wir diesem entsprechenden Pater auch nie verziehen.

Kannst du dich denn noch an Bands, an Auftritte im „Beat-Club“ erinnern, die dich fasziniert haben? Die dich regelrecht umgehauen haben? Einmal von Hendrix abgesehen, den du nicht gesehen hast.

Ja, den habe ich ja dann später gesehen. Später wurde das ja irgendwann mal wiederholt. Natürlich habe ich das dann gesehen. Ich habe sogar Jimi Hendrix mal live erlebt, in der Kölner Sporthalle. Das war schon eine gute Entschädigung dafür. Aber nehmen wir mal an hier, „Spencer Davis Group“. „Keep On Running“, Wahnsinn. Da habe ich ja schon in der Schülerband Bass gespielt. Weil ich wollte ja eigentlich Paul McCartney sein. Und dann habe ich Bass gespielt. Dann mit dem Thema von „Keep On Running“ habe ich meinem Vater die Membran vom Radio geflext. Ich habe das voll aufgedreht und habe „Keep On Running gespielt“. Da war die Membran hin.

Der Spiegel schrieb vor zehn Jahren zum 50. Geburtstag, der „Beat-Club“ symbolisierte den Aufstand der damaligen Jugend gegen verkrustete Strukturen. Da gehörte aber ein bisschen mehr dazu, oder?

Ja, das sind ja kleine Schritte. Aber die kleinen Schritte waren eigentlich schon gewaltig. Man hat ja durch diese Bands, nehmen wir mal die „Rolling Stones“. Die „Beatles“ fanden ja auch die Erwachsenen noch irgendwie süß. Das war jetzt noch nicht die große Revolution. Die sahen ja sehr artig aus. Aber die „Stones“ haben uns natürlich auch beigebracht, wie man sich gegen vermeintliche Autoritäten verhalten könnte. Und das war schon deutlich.

Also von dem Moment an, wo ich die „Stones“ nun wirklich auch mal in bewegten Bildern gesehen hatte und dann auch mir angehört habe, wie die spielten, das war ja viel dreckiger als das, was die „Beatles“ gespielt haben. Und von da an war natürlich auch wieder nichts wie vorher. Und wir wurden halt, also ich gehe mal nur von mir aus, ich wurde halt immer aufmüpfiger.

Welche Interpreten, die im „Beat-Club“ aufgetreten sind, haben deinen eigenen musikalischen Weg am meisten beeinflusst? Bob Dylan kann es nicht gewesen sein, weil Bob Dylan ja dort nicht aufgetreten ist.

Nein, nein. Denn Bob Dylan trat erst wirklich in mein Leben durch meine Schülerband, wo ich noch Bass spielte. Und der Sänger dieser Schülerband, der war zwei Jahre älter als wir. Und der sagte, ich muss Abitur machen, ich kann das jetzt nicht mehr machen, ihr müsst euch einen anderen suchen. Und der brachte aber dann zu seinem letzten Auftritt, das war ein Schulfest auf dem Gymnasium, brachte der die Single „Like a Rolling Stone“ mit und hat vorher netterweise den Text rausgeschrieben und auch für uns direkt übersetzt. Und dann haben wir das gehört. Und noch während des Hörens habe ich gedacht, warum spiele ich eigentlich Bass? Ich würde auch viel lieber so Songs schreiben, wie der Typ mit der Sonnenbrille. Und das war das entscheidende Ding. Ich habe dann unmittelbar noch am gleichen Tag meinem Freund Hein den Bass gegeben und gesagt, hör mal, ich singe ab sofort, weil da brauchen wir keinen neuen Sänger zu suchen, weil das würde ich jetzt machen. Das ist irre. Davon gibt es sogar noch Fotos. Von dem ersten Auftritt als Sänger und von dem letzten Auftritt als Bassist.

Und welche Bands im „Beat-Club“ haben dich am meisten musikalisch beeinflusst?

Ja, die gehen wir mal von vorne durch. Ganz am Anfang, „Remo Four“ fanden wir ganz großartig, war natürlich ein Instrumentalstück, dieses „Peter Gunn“. Das war ein Hammerding. Das war schon klasse. Ich weiß auch noch, als die Easybeats gespielt haben mit „Friday On My Mind“. Ein Wahnsinns-Song. Das war ganz, ganz, ganz großartig. Später dann auch nach ungefähr der gleichen Zeit „The Creation“, „Painter Man“ fand ich super. Aber das hat mich nicht beeinflusst, kann man nicht wirklich sagen. „Hey Joe“ mit Jimi Hendrix. So gut waren wir noch nicht, dass uns das beeinflussen konnte. Später hatten wir einen guten Gitarristen, mit dem wir auch sehr viel Hendrix gespielt haben. Das haben wir tatsächlich gemacht. Ja, was kann ich noch sagen? Die „Kinks“ waren im Beat-Club mehrere Male. Das war natürlich auch ganz großartig. „Kinks“ hat mich sowieso vom Hocker gehauen. Was die an Geschichten erzählen konnten. Das war ja eine andere Tradition. Das war ja nicht diese amerikanische Tradition, sondern das war ja viel britischer. Das musste man auch mal erst unterscheiden lernen, was da los war.

Welche Bands? Nicht der Reihenfolge nach, aber ich weiß das. Die „Kinks“ haben damals „Waterloo Sunset“ auf jeden Fall gespielt. Diesen Ausschnitt aus „Waterloo Sunset“ haben wir sogar in dem Film, den Wim Wenders über uns gemacht hat. Da haben wir oben in der Lichtburg in Essen die „Kinks“ mit „Waterloo Sunset“ über der Bühne laufen lassen, stumm, und wir haben „Waterloo Sunset“ gespielt. Das ist eine sehr schöne Szene in diesem Film. Das war im „Beat-Club“. „The Nice“ gab es, aber „Small Faces“ beispielsweise – „Small Faces“, mein lieber Mann, was haben die uns geflext! Diese kleinen Kerle und dann der Steve Marriott mit seinem unfassbaren Organ, was der gesungen hat. Das war ja eigentlich unfassbar. Also „Small Faces“, für mich eine der ganz, ganz großen Bands, obwohl sie so klein waren.

Du hast gerade schon deinen Vater erwähnt und auch die Lautsprecherbox. Wie war die Reaktion deiner Eltern auf den „Beat-Club“? Ich weiß nur, dass bei uns der Haussegen immer bedenklich in Schieflage geriet, wenn elektrische Gitarren und Schlagzeug zu hören und vor allem langhaarige Menschen zu sehen waren. Wie waren deine Eltern?

Im Elternhaus war das nicht so. Meine Mutter hatte so ziemlich für alles Verständnis. Der Vater meiner Mutter war Kirchenmaler. Das war ein Künstler. Meine Mutter hat mir auch alle Hirngespinste ermöglicht. Also alles, was ich an Traumtänzereien wollte, okay, der Junge muss glücklich werden. Meine Mutter hat nie im Weg gestanden. Als Kind war ich eher Papakind. In der Pubertät hat sich das geändert. Viel mehr Verständnis kam von meiner Mutter. Meinem Vater war das egal letztendlich. Der konnte damit nichts anfangen. Der war ja überhaupt nicht autoritär. Mein Vater ist 1904 geboren. Der war zu der Zeit schon von zwei Weltkriegen geprägt. Der hatte andere Sorgen. Das hat ihn auch nicht aufgeregt, die langen Haare. Irgendwann hat er natürlich auch gesagt, du müsstest ihm mal wieder die Haare schneiden lassen. Dann habe ich gesagt, nee, und das war es dann. Also das war nicht wirklich ein Thema.

Für meine Mutter war das völlig okay. Die hat „Beat-Club“ auch mitgeguckt, teilweise. Ich weiß noch, als die „Bee Gees“ „New York Mining Disaster“ gesungen haben, sagte meine Mutter den wunderschönen Satz, den ich nie vergessen werde, „Wolfgang, aber so singt doch kein Mann“. Wunderbar. Das zitiere ich sehr oft. Das hat mich auch irgendwie geprägt. Meine Mutter hat so einen ganz, bodenständig kann man nicht sagen, aber so einen sehr, sehr libertären Ansatz gehabt. Die hatte dann ihre eigenen Maßstäbe, was sie mochte und was sie nicht mochte und was sie weniger mochte. Die fand auch, dass Mick Jagger singt wie Heinz Drache. Das war ein Krimi-Schauspieler, der hieß Heinz Drache. Meine Mutter hat die Stimme von Jagger anscheinend an Heinz Drache erinnert. Habe ich nie überprüft, müsste man mal nebeneinanderhalten.

Das ist eine starke Behauptung. Der hat bei Edgar Wallace ja mitgespielt. Deine Mutter war nicht die Mehrheit. Kannst du dich noch erinnern, welche Reaktionen die Sendung bei der älteren Generation hervorrief? Oder meinst du, dass der „Beat-Club“ dazu beitrug, den Generationenkonflikt in den 60er Jahren sichtbar zu machen, indem er den Lebensstil der Jugend hochpuschte, repräsentierte?

Ja, das kann ich mir schon vorstellen. Mein Vater war natürlich politisch auf einer ganz anderen Ebene. Mein Vater war einer der größten Adenauer-Fans überhaupt. Und der fand natürlich auch die demonstrierenden Studenten, das fand er natürlich alles nicht gut. Die sollen arbeiten gehen, so fand er. Da hat er auch zugemacht. Der war dafür auch nicht zugänglich. Das waren ja dann so die ersten Diskussionen, die wir in den pubertären Jahren geführt haben. Da ging es um Politik. Und er war auch in Sachen Vietnam auf einem ganz anderen Dampfer. Aber das sind halt diese Kämpfe, die wahrscheinlich jeder pubertierende Junge mit seinem Vater durchführt. In dem Fall ging es dann hauptsächlich um Politik. Aber wir konnten uns dabei auch nur an den Sonntagsmorgen unterhalten, wo wir dann zusammen frühstückten. Ansonsten waren bei uns zu Hause die Mahlzeiten bestimmt durch unseren kleinen Laden, den wir hatten. Wir saßen nie alle zusammen am Tisch. Einer war immer im Laden. Einer musste bedienen.

Leider hat mein Vater sich natürlich auch immer nur Sorgen um mich gemacht, was mal aus mir werden sollte. Ich war eigentlich ein Traumtänzer. Mein Vater hat dann mal zu meiner Mutter gesagt, der Junge muss doch. Meine Mutter sagte, der Junge muss gar nichts, der muss nur glücklich werden. Das hat meine Mutter gesagt. Aber seine Sorgen sind natürlich geblieben. Ich kann das auch heute nachvollziehen. Ich konnte das relativ schnell nachvollziehen. Ich habe ja selber später Malerei studiert. Ich wusste schon, dass das ein „Hungerleiderberuf“ sein würde. Das habe ich aber auf mich genommen. Ich wollte es machen. Mein Vater hat sich, bis er dann, leider viel zu früh, mit 76 gestorben ist, immer nur Sorgen gemacht. Da hatten wir schon das erste Album rausgebracht. Das fand er natürlich überhaupt nicht gut. Was ich da gesungen hätte, das wäre alles unverschämt. Und außerdem soll da besser ein Mädchen singen, weil es singen kann. So, fand er. Punkt.

Ich habe gerade vorhin gelesen, in der DDR wurde 1965 die Beatmusik verboten. Und der damalige DDR-Staatsratsvorsitzende, Walter Ulbricht, der machte aus dem Yeah-Yeah-Yeah der „Beatles“ ein Je-Je-Je. Und das fand ich absolut grandios. Wie habt ihr das erfahren oder mitgekriegt?

Du meinst das mit der DDR? Zu meiner großen Schande, zu der Zeit hörte die Welt für uns mit der deutsch-deutschen Grenze auf. Wir haben wenig Ahnung gehabt von dem, was da im anderen Teil Deutschlands passierte. Ganz, ganz wenig Ahnung gehabt. Wir haben den Mauerbau natürlich mitgekriegt. Oh, die Armen werden jetzt eingemauert, furchtbar, furchtbar. Aber das war so weit weg. Und das hat zu der Zeit die Kids in meinem Alter noch nicht wirklich berührt. Die Welt war für uns noch viel, viel kleiner. Und als es dann mit Vietnam losging, da wurde sie natürlich größer – die Welt. Da waren diese Probleme, die Gerechtigkeit. Und dann haben wir natürlich auch mitgekriegt, dass die Jungs, etwas älter als wir, dass die eingezogen wurden und nach Vietnam geschickt wurden. Und das hat dann letztendlich uns auch politisiert. Der Vietnamkrieg hat uns politisiert. Das stimmt schon.

Nochmal zurück zum „Beat-Club“. Das war ja dann wirklich eine Initialzündung. Und die Verbreitung der Beatmusik wurde dann sozusagen gepusht und später die Rockmusik. Und die Schaffung einer gemeinsamen Jugendkultur im Gegensatz zur Elterngeneration. Kann man sagen, dass diese Initialzündung wirklich den Grundstein gelegt hat für die musikalische Entwicklung nach dem „tausendjährigen Reich“?

Das glaube ich schon, das auf jeden Fall. Vorher war ja alles angepasst. Da war nichts davon, wo man irgendwo irgendwie sperrig war. Wo man sich vielleicht auch als junger Mensch mit identifizieren konnte. Dieses Angepasste war uninteressant. Und da ging es dann auf einmal los, dass man sich selber auch gefunden hat und sich dann vielleicht auch selber definieren wollte. Das gehörte dann teilweise auch zum Lifestyle. Also wir hatten alle die grünen Parker, die bemalt wurden – mit Peace-Zeichen und weiß der Teufel was. Und ich war natürlich hoch angesehen, weil ich gut zeichnen konnte. Wenn die Mädchen irgendwas auf die Parkers gemalt haben wollten, dann kamen die zu mir. Das war natürlich super.

Du hast es schon erwähnt, die Mode. Wie beeinflusste der „Beat-Club“ die Mode und das äußere Erscheinungsbild der jungen Generation? Ich sage mal nur, Stichworte sind Miniröcke, Go-Go-Girls, lange Haare, enge Hosen, Beatle-Boots und Batikblusen. Was hast du mitgemacht?

Also Parker, habe ich ja eben schon gesagt, Parker war absolut Pflicht. Ich habe einmal eine Parker-Jacke gehabt. Die fand ich am schönsten. Und dann habe ich natürlich auch so einen Parker-Mantel gehabt. Das war wichtig. Und natürlich konnte man sich auch die Haarmode angucken und das setzte auch Maßstäbe, was die Mädels betraf. Also das waren schon teilweise Role-Models, die da im „Beat-Club“ zu sehen waren. Das muss man sich mal vorstellen – meine damalige Freundin, wenn die zur Schule ging, das war ein Mädchengymnasium, die ist bis zu einem bestimmten Punkt mit ihrem Rock gegangen, und dann musste sie sich irgendwo hinter einem Busch verstecken. Und dann musste sie sich umziehen und musste sich ein anständiges Kleid anziehen, wo sie ansonsten womöglich mit Hose gegangen wäre. Das war auch ein Nonnen-Internat, wo die zur Schule ging. Das war auch ganz, ganz vorsintflutlich. Also man wurde halt drangsaliert.

Nicht nur der „Beat-Club“ war eine epochale Neuerung in Deutschland, sondern auch einige der Interpretinnen und Interpreten haben musikalische Beben ausgelöst. Du hast die „Easybeats“ schon erwähnt, du hast Jimi Hendrix erwähnt und die „Bee Gees“ natürlich auch. Aber sag mal was zu „Cream“ zum Beispiel.

„Cream“ war sensationell. „Cream“ war irgendwie so eigentlich in einem Atemzug mit „The Jimi Hendrix Experience“. Also diese Drei-Mann-Combos, das hat einen natürlich komplett vom Hocker gehauen. Vom ganzen Stil her. Das war ja schon dann so diese Zeit, wo in der Mode so diese Flower-Power-Geschichten und diese merkwürdigen Frisuren – also Eric Clapton mit dieser Dauerwellenfrisur, das war schon gewöhnungsbedürftig. Wir haben das genommen. Ich kann mich noch erinnern, wie sie „Strange Brew“ oder was gespielt haben oder Jack Bruges gesungen hat. „N.S.U.“, das war toll. Ginger Baker spielte sensationell Schlagzeug. Man muss sich das ja so vorstellen, die Musik kam ja nun wirklich nicht aus Deutschland. Das war ja alles angloamerikanisch und das war letztendlich alles vom Blues beeinflusst. Das lernte man alles über diese Bands. Da lernte man andere Welten kennen. Und wir haben wie gebannt davorgesessen. Ginger Baker mit seiner Doppel-Bass-Drum, die vorne auch psychedelisch bemalt war. Und dann spielten die dann diese Sachen und das war wie aus einer anderen Welt.

Eine Band hast du nicht erwähnt. Einer meiner Favoriten, Jahrzehnte, Jahrhunderte. „The Who“, die waren auch Dauergäste da.

Ja, auch. Ja, „Who“ waren auch sensationell. Aber irgendwie hat man bei „Who“ das Gefühl, wenn die da „geplaybackt“ haben, dass das nicht das ganze Ding war. „Who“ ist eigentlich eine Band, die muss man live erleben. Aber trotzdem, wir fanden die sagenhaft. Die Songs sind fantastisch. Ich weiß jetzt gar nicht mehr, welche Songs dann tatsächlich live gespielt wurden und welche nicht. Aber das war schon auch ein Ereignis. Aber Keith Moon hinter dem Schlagzeug zu erleben bei einem Playback ist schon was anderes, als wenn der wirklich da reinhaut. Das ist schon eine andere Nummer.

Du hast es schon erwähnt. Ganz am Anfang war es ja live. Dann wurde aus Kosten- und Zeitgründen überwiegend so einiges playback gesendet. Hat dich das gestört? Hast du es gemerkt?

Hier gibt’s auch eine schöne Story zu. Das Playback habe ich erst begriffen, als Manfred Mann mit „Mighty Quinn“ aufgetreten sind und ich total erstaunt war, dass der Klaus Voormann in der Lage war, gleichzeitig Bass und Querflöte zu spielen. Da war das wirklich eine Frage von Kameraschnitten. Da hat man dann auch gedacht, die spielen nur so, die tun nur so als ob. Da habe ich es dann tatsächlich begriffen. Der Klaus, den ich mittlerweile auch seit Jahrzehnten kenne, der ist auch zusammengebrochen. Dass das mal ein Lerneffekt war.

Die Allzeitmoderatorin war Uschi Nerke. Du hast es vorhin schon erwähnt. Eine Ikone, die bis heute als „Beat-Club“-Moderatorin mit ihrer „Beat-Club“-Show tourt. Damals war sie ja wirklich 20 Jahre alt und viele meiner männlichen Mitschüler fanden sie absolut begehrenswert. Wie ging es dir damals und deinen Kumpels?

Ich fand die auch sehr, sehr süß,. fand sie allerdings auch sehr, sehr unerreichbar. Aber ich fand die schon sehr attraktiv und die in ihrer Natürlichkeit war natürlich auch klasse. Das war jetzt nicht irgendwie, was soll man sagen, es war noch nicht mal besonders professionell, aber sie war einfach total sympathisch und so eine Freundin hätte man gerne gehabt.

Anfangs stand der „Beat-Club“-Miterfinder (neben Regisseur Michael Leckebusch) Gerhard Augustin neben ihr. Dann wurde der 1966 von „Radio Caroline“-DJ Dave Lee Travis abgelöst. Als Travis zur „BBC“ wechselte, wurde er durch Dave Dee, den Vorsänger der Beatband „Dave Dee, Dozy, Beaky, Mick & Tich“ ersetzt. Die Band gehört ja auch zu den Stammgästen im „Beat-Club“. Gab es für dich Favoriten unter den männlichen Moderatoren?

Kann ich nicht wirklich sagen. Weiß ich nicht. Nee, es gibt keinen Favoriten. Ich erinnere mich an den mit dem Bart, der hieß Dave Lee Travis. Den fand ich sehr sympathisch, der hat das prima gemacht. Aber ansonsten, die Uschi hat allen die Schau gestohlen, auf jeden Fall. Da hat man lieber hingeguckt.

Welche Bedeutung hatten denn die Moderatoren für die Identifikation des Publikums mit der Sendung? Waren die so tragend oder waren die nur Beiwerk?

Nein, die haben ihren Job gemacht. Die haben Zugang eröffnet zu dem, was man da zu hören kriegte. Weil, das war ja nicht alles so, dass man sagen konnte, okay, das ist jetzt erwartbar. Sehr vieles war da unpredictable. Bands, die ich doch zum ersten Mal im „Beat-Club“ gesehen habe. Nehmen wir mal „Procol Harum“ beispielsweise. Die haben „Homburg“ gespielt oder ich weiß gar nicht, ob sie „Salty Dog“ auch gespielt haben. Das war für mich auch so ein Ding, wow, da muss ich mir mal was von zulegen. Von der Band muss ich unbedingt ein Album haben. Das war schon, ist auch nach wie vor eine Band, die ich unfassbar sensationell fand. Ich weiß sogar noch, als die ersten Platten von Genesis rauskamen, habe ich gesagt, das ist ein Zweitaufguss von „Procol Harum“. Das stimmt natürlich nicht, aber „Procol Harum“ fand ich schon ganz, ganz bedeutend.

Jetzt aber kommen wir zu einer anderen Sache. 1969/70 wechselte der „Beat-Club“ zweimal die Farbe. Es wurde einmal in Farbe gesendet und auch die Musikfarbe änderte sich. Von der Beat- und Popmusik ging es in Richtung Progressive, Jazzrock, Bluesrock. Also ich sage mal nur ein paar Namen, die habe ich mir aufgeschrieben: „Soft Machine“, „Santana“, „Jethro Tull“, „Edgar Broughton“, „The Flock“, „Yes“, „Atomic Rooster“, „Curved Air“, „Deep Purple“, „Black Sabbath“, „Eric Burden & War“, „Amon Düül“, „Colosseum“, „Warm Dust“, „Emerson, Lake & Palmer“, „Kraftwerk“, „Alexis Korner“ war dabei, „Curtis Mayfield“, bis hin zu „Grateful Dead“. Die haben nur, glaube ich, ein oder zwei Stücke gespielt in einer Stunde. Konntest du inhaltlich den Wechsel mitvollziehen?

Das haben wir insofern mitvollzogen, weil das war ja auch bei uns dann in der Szene so. Auf einmal kamen Jungs mit anderen Platten an, womit man sich beschäftigt hat, wo man dann auch wirklich intensiv gehört hat. Am Anfang hat man nur Singles gekauft und irgendwann ging es dann zu den Alben. Man hatte natürlich nicht so viel Geld und man hat dann auch gerne gehört, was die anderen so hörten. Und davon waren dann auch einige dieser Bands im „Beat-Club“. Du hast eben „Jethro Tull“ gesagt. „Jethro Tull“, das erste Ding, was ich zu hören kriegte, war „Bourrée“, ein Instrumental-Ding. Das ganze Erscheinungsbild war total mysteriös. Da steht der auf einem Bein da vorne und flötet diese Instrumental-Nummer. Sowas hatte man vorher noch nicht gesehen. Oder „Steamhammer“ mit endlosen Soli, „Junior’s Wailing“ und „Another Travelling Tune“. Das waren Dinge, die wir dann auch mit unserer Band gespielt haben.

Da wurde ja dann nicht mehr der Massengeschmack bedient, wenn es dann so ein bisschen progressiver war. Der „Beat-Club“ wurde immer mehr etwas für Kenner und Musikliebhaber. Welche Künstler haben deiner Meinung nach den „Beat-Club“ selbst maßgeblich geprägt? Würdest du da irgendwas rauspicken wollen?

Ja, aus dieser Phase – „Rory Gallagher“ war irgendwann, aber das war eigentlich „The Taste“, eine sehr gute Bluesband. Eine irische Bluesband. Das war jetzt nicht so mit „Amon Düül“ oder solchen Bands unbedingt zu vergleichen. „Pink Floyd“ werden nie da gespielt haben. „Pink Floyd“ fanden wir natürlich super. „Spooky Tooth“ war eine Band, die wir toll fanden. „That Was Only Yesterday“. Dieses Album, ich glaube, „Spooky Two“, hieß das Album. Das zweite Album, das habe ich auch gekauft. Das habe ich auch rauf und runter gehört. Da bin ich auch durch den „Beat-Club“ drauf aufmerksam geworden. Ein Hammer-Album nach wie vor.

Am 9. Dezember 1972 flimmerte der „Beat-Club“ letztmalig über die Bildschirme, ausgerechnet mit den „Osmonds“ und so weiter. Diese Folge war die erste, die ich mehr oder weniger halb ausgelassen habe. Wie ging es dir?

Ich weiß gar nicht, ob ich das da zu der Zeit noch verfolgt habe. In welchem Jahr war das? 1972. Ich habe 1970 angefangen, Malerei zu studieren. Und meine musikalischen Interessen sind da etwas nach hinten geraten. Ich glaube nicht, dass ich 1972 das noch so verfolgt habe, wie in den 60er Jahren. Ab 1970 habe ich studiert. Ab und zu, wenn die Gelegenheit da war, habe ich das gehört. Aber ich kann mich an die „Osmonds“ überhaupt nicht erinnern. „Hardin & York“ habe ich im „Beat-Club“ gesehen. „Hardin & York“ fand ich sensationell. Er war der Schlagzeuger von der „Spencer Davis Group“, den ich erfreulicherweise irgendwann mal kennengelernt habe. Ein ganz netter Mensch. Und „Humble Pie“, das ist natürlich auch so ein Ableger von den „Small Faces“, wo Peter Frampton gesungen hat und Steve Marriott. Und auch eine unglaubliche Energie. Peter Frampton von „The Herd“ vorher. Die Band fanden wir auch prima, aber die war sehr mysteriös. „From the Underworld“. Das war so, aha, was machen die da? War aber interessant. Und als die sich dann zusammengetan haben, da gibt es dieses Album, „Humble Pie Live At The Filmore East“. Das Ding haben wir auch rauf und runter gehört. Es war sensationell. Es war sensationell, was dieser kleine Mann, was der da für ein Organ hatte und was da für ein dringender Sound war. Sagenhaft, wunderbar.

Der Erfolg des „Beat-Club“ führte auch zur Entstehung anderer Musiksendungen, die sich ebenfalls an die Jugend richteten, wie zum Beispiel die Nachfolgesendung „Musikladen“, „Disco“ mit Ilja Richter, „Formel 1“, „Musikbox“ und so weiter. Die legten den Grundstein für die heutige Musiklandschaft im Fernsehen, „MTV“, „Viva“ und andere Musikkanäle. Was fehlt dir heute an adäquaten Musiksendungen?

„Die erste Rockpalast-Nacht“, Aufzeichnung aus der Grugahalle, Essen vom 23. Juli 1977. | Bildquelle: WDR/Manfred Becker

Ja, da komme ich wirklich ans Grübeln. Irgendwann ging es ja dann in die „MTV“-Zeit, in eine Epoche, wo man dann die teuren Videos gesehen hat. Das ist mittlerweile natürlich alles mehr oder weniger aufs Internet ausgewichen. Es gibt ja „MTV“, die haben eine Zeit lang davon gelebt, dass sie einen Pakt gemacht haben, wo man dann schön Kohle bezahlen musste an „MTV“, dass man unplugged spielte. Es ist eine andere Phase, kann man nicht mehr vergleichen. Die Verbreitungsmöglichkeiten sind ganz, ganz andere. Ich würde mich natürlich freuen, wenn im öffentlich-rechtlichen Fernsehen Sender mit diesen Programmen… Gut, „Rockpalast“ gibt es noch.

Wir haben ja Gott sei Dank unser „Satori-Konzert“ tatsächlich mit „Rockpalast“ nochmal aufgenommen, was wirklich eine große Gunst war. Es war schön, dass sie das gemacht haben. Die Zusammenarbeit bleibt auch mit dem „Rockpalast“. Das ist für mich eigentlich das Ding, wo ich sage, gut, sowas gibt es noch. Allerdings zu Zeiten, wo die arbeitende Bevölkerung schon im Bett liegt. Aber auf der anderen Seite kann man es ja in den Mediatheken sehen. Das ist ein anderer Verbreitungsweg. „Rockpalast“ ist für mich momentan… Momentan sind wir die Band, die am meisten „Rockpalast“ gemacht hat. Rory Gallagher konnte nicht mehr mithalten, weil er gestorben ist. Aber wir sind die Band, die am meisten „Rockpalast“ gespielt hat. Das ist für uns auch wirklich eine große Ehre, muss ich wirklich sagen.

Du hast dir als Jugendlicher im Internat den „Beat-Club“ angesehen. Dann gab es eine erste Schülerband. Trotzdem dauerte es dann noch weitere vier, fünf Jahre, bis du deine erste Semiprofi- oder auch Profiband gegründet hast. Warum hat das so lange gedauert? Hast du die falschen Leute gehabt?

Nein, ganz einfach. Als ich angefangen habe mit dem Kunststudium, musste ich das mit der Musik mehr oder weniger abkoppeln. Ich habe dann noch ein Jahr in meiner Band gespielt. Wir waren auch semiprofessionell. Wir haben zum Beispiel einmal bei „Renaissance“ im Vorprogramm gespielt. Eine ganze Tour bei „Renaissance“. Das war mal der Sänger der „Yardbirds“ gewesen. Keith Relf war der Sänger. Wir haben dann eine Tour gespielt und das war schön. Wir waren mal unterwegs, wir waren wirklich mal auf Tour. Dann habe ich aber gemerkt, ich muss jetzt dieses Kunststudium abschließen, so wie ich es meinem Vater dann auch beweisen wollte, dass ich das ernst nehme. Dann habe ich die Musik sehr nach hinten geschoben und erst als ich Zivildienst danach gemacht habe, ging das nochmal los, weil ich da mit einem zusammen war, mit dem ich beim Paritätischen Wohlfahrtsverband Essen auf Rädern rund gefahren habe. Der war ein ganz, ganz großer Dylan-Fan und ich hatte Dylan irgendwie vernachlässigt. Da waren Platten bei, die ich dann so langweilig fand, wie „Self Portrait“ oder „Nashville Skyline“. Da konnte ich nichts mit anfangen. Dann habe ich mir für das Geld lieber die „Led Zeppelin“-Platten gekauft. „Led Zeppelin“ fand ich nach wie vor eine unfassbare Band. Das ist das Eleganteste, was man an Hardrock machen kann. Das ist unfassbar gut. Dann habe ich nochmal Lust gehabt, mit Jungs zusammen zu spielen. Das waren alles Jungs, die man dann irgendwo in der Kneipe oder auf Feten getroffen hat. Man fragt dann, machst du noch Musik? Nee, mit wem denn? Was machst du mit deinem Schlagzeug? Ja, steht im Keller. Dann haben wir irgendwann so viele ehemalige Beatmusiker getroffen, dass wir gesagt haben, wir besorgen uns einen Proberaum. Dann treffen wir uns einmal in der Woche, nehmen einen Kasten Bier mit und den proben wir dann leer. Das machte Spaß. Damit ging das dann 1976 an die Vorläufer von „BAP“.

Wir hatten immer wechselnde Besetzungen. Wer Lust hatte mitzuspielen, der spielte mit. Entweder haben wir gejammt oder haben gecovert. „Stones“-Songs, „Kinks“-Songs, „Dylan“-Songs. Dann kam ich eines Tages mit meinem ersten Song auf Kölsch an. Aber wirklich, kein Karriereplan, gar nichts. Man musste uns regelrecht überreden, mal aufzutreten und dann ein Jahr später oder zwei Jahre später uns überreden, damit eine Platte zu machen. Komischerweise hat sich das dann verbreitet. Ich hatte zunächst mal einen sehr guten Ruf, weil ich auch in Kneipen gespielt habe. Meine lustigen Songs, das ist eigentlich das Repertoire von unserem ersten Album. Mit der Band waren wir aber noch nicht so weit. Aber ich wollte dieses Angebot für die Platte. Ich dachte, wenn, dann mache ich das mit den Jungs zusammen. Dann haben wir das mit den Jungs zusammen gemacht. Wir hatten einen sehr geduldigen Produzenten, der auch in der Lage war, hier und da mal ein Solo beizusteuern. Dazu waren wir nicht in der Lage. Das war ein Freundeskreis. Wir haben das nicht ausgesucht nach – wir suchen uns jetzt den besten Gitarristen oder den besten Bassisten. Der Schmal, mit dem ich zusammen studierte, brachte den Bassisten seiner früheren Band aus Köln mit – Klaus Hogrefe und der spielte einen Superbass. Aber so, dass wir damit einen Karriereplan hatten? Überhaupt nicht. Erst dann, als das erste Album draußen war und das zweite anstand, ist der Major (Heuser) eingestiegen. Das war dann der erste, wo man sagen konnte, der hat ein bisschen mehr drauf gehabt als wir. Dann haben wir das zweite Album aufgenommen und dann war auf einmal klar, Mensch, wir müssen irgendwie sehen, dass wir davon auch leben können. Weil die Jungs, die nicht gerade Kunst studiert hatten, die als freischaffende Künstler rumliefen, die hatten teilweise ein ernsthaftes Studium. Meistens waren es Betriebswirte oder Jurastudenten oder hatten schon einen Beruf oder sogar schon Familie. Und die konnten das nicht, an den Wochenenden ständig irgendwo Freitag, Samstag, Sonntag spielen. Ich weiß noch, unser damaliger Bassist, das war schon der zweite Bassist, der arbeitete auf dem Finanzamt Köln-Nord. Und wenn wir dann in den Morgenstunden der Montage unseren Kram wieder in diesen Proberaum ausgeladen haben, der musste dann anschließend arbeiten, der konnte, wenn es hochkam, drei oder vier Stunden schlafen und dann lief der mit Panda-Augen im Finanzamt Köln-Nord ein. Und der sagte, ihr müsst euch jetzt einen anderen suchen. Ich kann das nicht mehr machen. Und dann wurde es immer professioneller, weil wir haben uns natürlich nie jemanden reingeholt, der schlechter war als sein Vorgänger. Und beim dritten Album, da war dann „Verdamp lang her“ drauf.

2025 hast du bei einer Sendung „The Beat Goes On – 60 Jahre Beat-Club“ mitgewirkt, die anlässlich des Jubiläums der ursprünglichen Sendung produziert wurde. Mit dabei waren Max Mutzke, Frankie Bartlett von den „Yankees“, die damals „Halbstark“ gespielt haben, Mary Dostal, geborene McGlory von den „Liverbirds“, „Die Toten Hosen“, Jan Deelay, Klaus Meine von den „Skorpions“, Inga Rumpf, Peter Maffay und wie schon gesagt, du, Wolfgang Niedecken. Wie hat sich das angefühlt, in der Sendung zu sein, die dich mitgeprägt hat?

The Beat goes on,60 Jahre Beat-Club. | Bildquelle: Radio Bremen
The Beat goes on, 60 Jahre Beat-Club. | Bildquelle: Radio Bremen

Also, am meisten habe ich mich gefreut, dass die „Pretty Things“ da auch drin waren. Ich habe mich sowas von gefreut, die „Pretty Things“ fand ich natürlich auch gut. Wenn meine Mutter jetzt auch noch die „Stones“ gut gefunden hätte, hätte ich mir ja irgendwas noch Böseres aussuchen müssen. Das wären dann die „Pretty Things“ gewesen. Aber das war schon legendär. Ich habe die auch irgendwann mal in Bonn live spielen gesehen und das war schon eine wüste Abteilung. Aber ich fand das wirklich sehr bewegend, diese ganzen Kollegen da zu sehen, gerade die Bands oder die Künstler, die ganz früh in den 60er Jahren da gespielt haben.

Also sowas kriege ich natürlich, da bin ich dann auch sentimental. Das war schon ein schönes Erlebnis mit Carl Carlton und mit Bertram Engel – und eigentlich mit der Maffay-Band. Aber die haben ja auch mit mir damals mein Soloalbum Leopardenfell aufgenommen. Das sind also alte Freunde. Mit denen habe ich auf jeden Fall „Jumpin‘ Jack Flash“ gespielt. War eine Hammerversion, mein lieber Mann.

Aber du hast dir dann doch schon die Augen gerieben. Ich bin jetzt plötzlich in der Sendung, die mich damals auf den Weg gebracht hat?

Ja, aber hallo! Aber hallo. Das habe ich auch immer den Leuten erzählt, was das für ein Sprung war. Von dem, was du vorher hattest. Max Greger war ein toller Musiker, aber das hat einen nicht interessiert. Irgendeiner kam mit einem Mikrofon einen roten Teppich runter. Das hat einfach nicht interessiert. Was sollte das? Und auf einmal kommt da diese Musik an, die auch was animalisches hatte. Das war auch deutlich sexyer.

Seit Jahren laufen die Sendungen des „Beat-Club“ in Dauerschleife auf irgendwelchen Kanälen. Was empfindest du dabei, wenn du dir das heute anschaust? Ist das für dich Nostalgie, Erinnerung? Oder ist bei einigen Sachen das Haltbarkeitsdatum bei manchen Acts schon abgelaufen?

Sowohl als auch. Aber ich bin da sehr milde in der Beurteilung. Es hat welche in dem „Beat-Club“ gegeben, wo ich dann mal zum Kühlschrank gegangen bin, weil mich das nicht interessiert hat. Da gab es natürlich auch welche, wo ich nichts mit am Hut hatte. Aber zum größten Teil ist man sitzen geblieben, weil man dachte, man darf ja nichts verpassen.

Vielen Dank, Wolfgang Niedecken.

Ich danke auch.

Teaserbild: Beat-Club-Moderatorin Uschi Nerke.
(Bildquelle: Radio Bremen/Jutta Vialon)

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