Voxhaus Berlin: Senderaum des ersten Berliner Rundfunksenders, 1923. | Bildquelle: picture alliance/ullstein bild

Große ARD-Aktion „100 Jahre Radio“

Thomas Bimesdörfer. Bildquelle: SR
Thomas Bimesdörfer. Bildquelle: SR

Man kann nicht oft genug darauf hinweisen – auf die großartige wie umfangreiche ARD-Aktion „100 Jahre Radio“! Aus diesem Anlass 3 Fragen an Thomas Bimesdörfer vom Saarländischen Rundfunk, den Koordinator der geplanten ARD-Programmaktivitäten zum Jubiläum!

Frage: Die ARD hat zum Jubiläum „100 Jahre Radio“ ganz viele Programmaktivitäten geplant. Was sind für Sie als Koordinator dieser ARD-Aktion die Highlights?

Antwort: Das absolute Highlight ist für mich, dass die ARD und auch das Deutschlandradio gemeinsam und mit sehr vielen und sehr unterschiedlichen Aktivitäten im den Programmen aber auch „off air“ den runden Geburtstag des ersten elektronischen Massenmediums in Deutschland feiern. Ein weiteres Glanzlicht der ARD-Aktion ist die große Bereitschaft der Kolleginnen und Kollegen, trotz großer Arbeitsbelastung und angesichts zahlreicher Alltagsverpflichtungen Zeit und Kreativität in die Planung der „Geburtstagsfeier“ zu stecken. Das ist angesichts der Herausforderungen in der aktuellen Medienwelt, Stichwort z.B. „digitale Transformation“ alles andere als selbstverständlich.


Frage: Das öffentlich-rechtliche Radio hat in der Vergangenheit immer neue Konkurrenz bekommen, von der Privaten, danach auch durch neue technische Entwicklungen, zuletzt durch die Digitalisierung und KI, immer wieder wurde es „totgesagt“. Trotzdem sprechen Sie in einem von Ihnen verfassten Grundsatz-Artikel davon, dass es selbst heute „auf gar keinen Fall ein[en] Grund für eine Absage [ans Radio] zum Programmschluss“ gebe. Wie kommen Sie zu diesem doch recht optimistischen Fazit?

Antwort: Wir erleben gerade durch die Digitalisierung eine sehr erfreuliche „Renaissance des (gesprochenen) Wortes“. Was sind die als Gattung zurzeit sehr erfolgreichen Podcasts denn anderes als die neueste Version des guten alten „Talk Radio“? Was kann es für Hörspiele, Lesungen und Radiofeatures besseres geben, als die inzwischen bekanntlich sehr gut angenommene Möglichkeit zum ganz individuellen Nachhören? Und zwar unabhängig vom Sendeplatz und Sendetermin im linearen Radioprogramm z.B. in der ARD-Audiothek. Andererseits schaffen Radioprogramme auch heute noch ein Gemeinschaftsgefühl, ein Gefühl direkt dabei zu sein. Radio ist heute noch ein sehr erfolgreicher „Community-Builder“ und damit ein wichtiges Antidot bei Blasenbildung in den manchmal nur scheinbar sozialen Medien. Außerdem geben die Ergebnisse der Medienforschung immer noch Anlass zu Optimismus und Freude. Der befürchtete „Generationenabriss“ hält sich in überschaubaren Grenzen, Radio ist auch bei jungen und jüngeren Menschen immer noch ein oft und gern genutztes Medium. Und das durchaus auch linear!


Frage: Sie schauen in Ihrem Artikel auch in die Vergangenheit, auf das Jahr 1979, und resümieren: „[…] der Hörfunk war für das flüchtige gesprochene Wort und die akustischen Reize zuständig“ – aber geht die Tendenz denn nicht in den letzten Jahren genau wieder in dieselbe Richtung, wenn man auf das Programm vieler Wellen schaut? Ist nicht immer weniger Platz für hintergründige Berichterstattung und längere Interviews?

Antwort: Das Radio hat viele Gesichter, viele Anmutungen und auch viele Funktionen. Gerade als Live-Medium kann es Stimmungen modulieren (und zwar zum Guten hin), kann kurz die ganze Aufmerksamkeit erhalten, kann aber auch rasch zum Hintergrundgeräusch werden. Das ist gut so und entspricht auch den Erwartungen sehr vieler Hörerinnen und Hörer. Radio kann aber auch so viel mehr. Es vermag die Welt zu erklären, kann Horizonte weiten, kann bilden, informieren und gut unterhalten. In Kombination mit den wachsenden nonlinearen Angeboten aus den Hörfunkredaktionen ist Radio nicht nur ein Garant für gute Laune und verlässliches Medium des, wenn auch flüchtigen, Tagesgesprächs, sondern wie vor jetzt 100 Jahren die Volkshochschule, der Hörsaal, das Konzerthaus. Aus meiner tiefen Überzeugung gibt das Medium Radio (manche nennen es jetzt auch „Audio“) keinerlei Anlass zu Kulturpessimismus.

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