Ein doppelter Glücksfall: Siegfried Lenz und das Radio
Von Christoph Bungartz (NDR)
Ohne das Radio wäre Siegfried Lenz nicht der Autor geworden, der er war. Medienhistoriker Hans-Ulrich Wagner hat in jahrelanger Recherche Lenz’ kaum bekannte Radiowerke zusammengetragen – ein Schatz für Literatur- und Rundfunkinteressierte. Die Matinee „Siegfried Lenz und das Radio“ lässt diesen Aspekt seines Schaffens lebendig werden – mit Lesungen, Gesprächen, O-Tönen und Musik.
Dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk vor allem in seinen frühen Jahren für zahlreiche Autorinnen und Autoren ein ganz wichtiger, wenn nicht der wichtigste Auftraggeber war, das wird in vielen Literaturgeschichten erwähnt. Doch wie funktionierte diese Zusammenarbeit zwischen Autor/in und Redaktion, was genau ging daraus hervor und welche Rolle spielte die Radioarbeit für das literarische Werk? Das Großprojekt „Rundfunkstücke“ zeigt am Beispiel von Siegfried Lenz, wieviel auf diesem weiten Feld noch zu entdecken ist. Drei Bände, 2700 Seiten, 150 Essays, Rezensionen, Feature, Reiseberichte und Hörspiele – die allermeisten aus den Fünfziger Jahren.


Fünf Jahre lang hat Hans-Ulrich Wagner, Medienhistoriker und Senior Researcher am Hamburger Leibniz Institut für Medienforschung, im Nachlass von Siegfried Lenz und in vielen Archiven der ARD die immer noch wenig bekannte Rundfunkkarriere eines der populärsten deutschen Schriftsteller rekonstruiert. Bis zum ersten Bucherfolg mit „So zärtlich war Suleyken“(1955) bezog Lenz 95 Prozent seiner Einnahmen vom Rundfunk, vor allem vom damaligen NWDR. Er war, sagt Wagner, „ein hochprofessioneller Medienarbeiter“. Im Nachlass fand sich ein Haushaltsbuch, in dem Lenz seine Honorare penibel notierte.
NDR Kultur, die Historische Kommission der ARD und die Siegfried Lenz Stiftung haben den Radiomenschen Siegfried Lenz in einer großen Matinee aufleben lassen – mit Lesungen, Gesprächen, O-Tönen und Musik. Und selbst in Hamburg, wo man gern glaubt, alles von Lenz zu kennen und alles über ihn zu wissen, waren viele Besucherinnen und Besucher überrascht: Vor allem darüber, wie zeitkritisch und politisch Lenz in seinen Essays und Hörspielen von Anfang an war. Und wie kreativ – und nicht zuletzt auch humorvoll – Lenz das Medium genutzt hat. Sogar als DJ ist er aufgetreten und hat seine Lieblingssongs präsentiert.
Ohne den Rundfunk, hat Siegfried Lenz noch in seinen späten Jahren gesagt, wäre er nie der Autor geworden, der er schließlich war. Das Radio war ein Glücksfall für Lenz. Und Lenz war ein Glücksfall fürs Radio.
Hier geht es zur Homepage der Lenz-Matinee, zu einem Radio-Mitschnitt und einem kurzen Fernsehbericht.

Mehr:
„75 Jahre ARD“ – Eine Serie der „Historischen Kommission der ARD“